Pareto-Optimalität

(Zu Eine Theorie der Gerechtigkeit, § 12)

 

1. Ein Zustand ist pareto-optimal (pareto-effizient) genau dann, wenn man ihn nicht so abändern kann, daß mindestens ein Mensch besser dasteht, ohne daß irgend jemand schlechter dasteht.

Beispiele:

(i) Die Organisation der Produktion ist pareto-optimal genau dann, wenn man nicht von mindestens einem Gut mehr produzieren kann, ohne von irgendeinem anderen weniger zu produzieren. (Wenn man von einem Gut mehr produzieren könnte, ohne von irgendeinem anderen weniger zu produzieren, könnte man mit den zusätzlich produzierten Gütern jemanden besser stellen, ohne jemanden schlechter zu stellen. Wenn man dies könnte, war der Zustand nicht pareto-optimal.)

(ii) Die Verteilung einer Gütermenge (z.  B. 100 €) auf bestimmte Menschen ist genau dann pareto-optimal, wenn es keine Umverteilung gibt, nach der mindestens ein Beteiligter besser dasteht und keiner schlechter dasteht.

Beispiel: Verteilung von (höchstens) 100 € auf zwei Personen (x1 und x2):

  A B C D E F G H
x1 100 € 0 € 20 € 60 € 10 € 50 € 50 € 40 €
x2 0 € 100 € 80 € 40 € 70 € 30 € 50 € 40 €
100 € 100 € 100 € 100 € 80 € 80 € 100 € 80 €

 

pareto-optimal

 

2. Alle Verteilungen, bei denen eine gegebene Gütermenge vollständig (d. h. ohne Rest) verteilt ist, sind pareto-optimal: Wenn 100 € vollständig auf zwei Personen verteilt sind, kann man eine Person nur besser stellen, indem man die andere Person schlechter stellt: Die Euros, die man der einen Person gibt, muß man der anderen wegnehmen. Man kann die Verteilung also nicht so abändern, daß mindestens ein Mensch besser dasteht, ohne daß irgend jemand schlechter dasteht. Da man dies nicht kann, ist man – gemäß Definition – in einem pareto-optimalen Zustand.
Verteilungen, bei denen eine gegebene Gütermenge nicht vollständig verteilt ist, sind nicht pareto-optimal, da man sie so abändern kann, daß man mindestens eine Person besser stellt, ohne eine andere schlechter zu stellen. Bei der Verteilung E kann man z.  B. der Person x2 noch 20 € geben, ohne  die Person x1 schlechter zu stellen (und umgekehrt).

Alle Punkte (= Verteilungen, Zustände) auf der Linie AB sind pareto-optimal: Auf dieser Linie ist die Summe der Euros, die x1 und x2 erhalten, immer 100, und die Euros sind also vollständig verteilt. (In der Tabelle sind also die Zustände A–D und G pareto-optimal.)

Es gibt also nicht nur eine pareto-optimale Verteilung einer bestimmten Gütermenge, sondern viele.

3. Ein Zustand x ist pareto-besser als ein Zustand y genau dann, wenn
(a) jede Person x für mindestens so gut hält wie y, und
(b) mindestens eine Person eine strikte Präferenz für x hat.

Mit diesem Begriff erhält man folgende Definition der Pareto-Optimalität:
Ein Zustand ist pareto-optimal genau dann, wenn es keinen pareto-besseren Zustand gibt.

Einen pareto-besseren Zustand gibt es immer dann, wenn man die zu verteilende Gütermenge erhöhen kann. Wenn man z. B. (zusätzlich zu den 100 €) noch 20 € mehr verteilen kann, gibt es zu jedem Zustand der Tabelle einen pareto-besseren Zustand.

In der Tabelle sind die Zustände A–D und G pareto-besser als die Zustände E, F und G. Ein Zustand, in dem man (zusätzlich zu den schon verteilten 100 €) x1 (oder x2) noch 20 € gibt ist pareto-besser als alle anderen Zustände der Tabelle.
In dem Diagramm ist jeder Punkt, der nordöstlich von einem anderen liegt, pareto-besser als dieser:
(a) D (40/60) ist pareto-besser als F (30/50), G ist pareto-besser als H (und F), C ist pareto-besser als E.
(b) D ist pareto-besser als alle Punkte in dem sich von D nach links und unten erstreckenden Viereck (0aDb).
(c) Alle Punkte in dem Dreieck oberhalb und rechts von E sind pareto-besser als E.

4. Zwei Zustände sind pareto-vergleichbar genau dann, wenn einer der Zustände pareto-besser ist als der andere (d. h. wenn gilt: x ist pareto-besser als y oder y ist pareto-besser als x).
Zwei Zustände sind pareto-unvergleichbar genau dann, wenn keiner der Zustände pareto-besser ist als der andere.

In dem Diagramm sind nordöstlich und südwestlich voneinander liegende Punkte pareto-vergleichbar.
In dem Diagramm sind nordwestlich oder südöstlich voneinander liegende Punkte pareto-unvergleichbar:
(a) F und H sind pareto-unvergleichbar, F und E sind pareto-unvergleichbar, H und E sind pareto-unvergleichbar.
(b) Alle pareto-optimalen Punkte (z. B. D und G) sind pareto-unvergleichbar.
(c) Der pareto-optimale Punkt D (40/60) ist pareto-unvergleichbar mit dem nicht pareto-optimalen Punkt E (70/10).
Es ist also nicht der Fall, daß alle pareto-optimalen Zustände pareto-besser sind als alle nicht pareto-optimalen Zustände.

Der nicht pareto-optimale Zustand H (40/40) ist zwar pareto-schlechter als der pareto-optimale Zustand D (60/40), aber nicht pareto-schlechter als der pareto-optimale Zustand E (70/10). Die beiden letzteren Zustände sind vielmehr pareto-unvergleichbar.
Es gilt also: Zu jedem nicht pareto-optimalen Zustand gibt es (mindestens) einen pareto-besseren pareto-optimalen Zustand. Aber nicht jeder pareto-optimale Zustand ist pareto-besser als ein nicht pareto-optimaler Zustand.

 

An economy can be optimal in this sense even when some people are rolling in luxury and others are near starvation as long as the starvers cannot be made better off without cutting into the pleasures of the rich. If preventing the burning of Rome would have made Emperor Nero feel worse off, then letting him burn Rome would have been Pareto-optimal. In short, a society or an economy can be Pareto-optimal and still be perfectly disgusting.

Amartya Sen (1970): Collective Choice and Social Welfare, Amsterdam 1979, S. 22